Zeitzeuginnen* ´89 in Leipzig

Es ist/sind unsere Geschichte/n

Seit Jahrzehnten ( … seit 1990) arbeitet die Frauenkultur Leipzig quasi an der Aufarbeitung der DDR-Geschichte (mit). Losgelöst von strukturellen und personellen Dimensionen bzw. inhaltlichen Konstellationen und Arbeits-/Herausforderungen in den jeweiligen Jahren – der entscheidende Grund war und ist immer: Es ist unsere Geschichte, um die es geht! Es sind immer unsere Geschichten des aktiven Mitwirkens vor, während und nach 1989.

Und dies war all die Jahre Motivation weiterzutun – auch weil es schwer zu ertragen war/ist, wenn einseitig generalisiert wird oder die Geschichte von Frauen* vor, während und nach 1989 von anderen umgeschrieben wird.

In den Geschichtsschreibungen dieses Zeitraumes wurden/werden aus unserer Sicht (zu) oft individuelle Lebenswege und Erlebnisse „generalisiert“ – und als „die 1989er Geschichte“ interpretiert. Auffallend ist, dass es überwiegend (männliche) Bürgerrechtler sind, die die Geschichte quasi aus ihrer Perspektive schreiben.

Den vielen engagierten aktiven Frauen* wird so ihre Unverzichtbarkeit und Wichtigkeit auch in den Prozessen der „Friedlichen Revolution“ genommen.

Eine einzelne Geschichte oder die von wenigen Menschen kann nie exemplarisch für alle stehen. Jede individuelle Lebensgeschichte beinhaltet Perspektiven, die die Entwicklung einer Zeit, eines Landes, eines Gesellschaftssystems durchaus deutlicher und begreifbarer machen können. Aber erst in der Gesamtheit und der öffentlichen Sichtbarmachung des aktiven Handelns von Frauen* in allen Wende-Prozessen ist unsere Geschichte, sind unsere Geschichten wirklichkeitsentsprechend abbildbar … und nur so auch in realen Zusammenhängen thematisier-, teil- und vermittelbar.

In diesem Kontext arbeitet die Frauenkultur Leipzig seit 1990 (und natürlich auch im Jahr 2024) zu verschiedenen Prozessen/Ereignissen/Aktivitäten des Themenkreises: „Die Friedliche Revolution aus der Perspektive von Frauen* in soziokulturellen Bezügen wie auch als Archiv (seit 2024 im i.d.a. Dachverband deutschsprachiger Frauen-/Lesben-Archive, Bibliotheken und Dokumentaionsstellen) – auf der Ebene der persönlichen Erfahrungen, des eigenen bewussten oppositionellen Handeln in den 80/90er Jahren“.

Interviews mit Zeitzeuginnen*

Die Interviews mit Zeitzeuginnen*/Aktivistinnen* der Zeit vor, um und nach dem 9. Oktober 1989 spiegeln viele verschiedene Perspektiven auf die gesellschaftlichen Ereignisse sowie auf persönliche Lebenssituationen. Die Gründe aktiven Handelns einzelner Frauen* – die wiederum zum Teil stellvertretend für andere Frauen* in vergleichbarer Lebenssituation stehen – werden im Kontext des sozialen Umfeldes deutlich(er).

Die Interviews waren/sind auditive Interviews. Diese Gespräche werden transkribiert – und die entstandene Textdatei wird der Interviewten wieder zur Verfügung gestellt. Sie kann in dem Text Ergänzungen und Streichungen vornehmen; nach einer vereinbarten Frist wird ein Nachgespräch durchgeführt, um die Textfassung zu finalisieren. Auch diese Textversion wird der interviewten Zeitzeugin vorgelegt. Mit der Freigabe hat der Text „Archivreife“. Es wird eine Einwilligungserklärung für die Verwendung des Interview-Textmaterial für öffentlichen Archiv-Bereitstellung verfasst und unterzeichnet.

Geplant ist, dass das transkribierte Material nicht nur archiviert wird – sondern dass es Forschenden und Interessierten „zitierfähig“ zur Verfügung gestellt werden kann. Daher ist es uns sehr wichtig, dass die interviewte Person ihren Text „gegenlesen“ kann. Durch die Situation des Interviews – den Sachverhalt, dass Erinnerungen nach mehr als 35 Jahren durchaus nicht immer zu jedem Zeitpunkt abrufbar sind und manchmal ein Blick in Briefe, Tagebücher bzw. ein längeres Nachdenken hilfreich sind – besteht die Möglichkeit, dass Zu-Hörendes und Zu-Lesendes verschieden sind/sein können. Daher bekommen die Interviewten noch einmal Gelegenheit, im Interview Gesagtes korrigieren zu können, um keine falsche Bezüge zu vermitteln bzw. Wirklichkeiten genauer abzubilden. Je nach Korrekturen des auditiven Interview-Materials in Bezug auf das Text-Transkript wird nur das Audio-Material öffentlich sein bzw. archiviert werden, dass durch die interviewte Zeitzeugin freigegeben wurde.

Die Interviews führte u.a. ebenfalls Zeitzeuginnen* durch, die selbst aktiv z.B. in der Umwelt- und Friedensbewegung der DDR in 80er/90-er Jahren waren. Viele Details z.B. der Entstehung aktiver Gruppen wurden/werden in Interviews erstmalig benannt – einfach, weil zum ersten Mal explizit danach gefragt wird. Das eigene Wissen um die damalige Situation und die Lebensumstände der Fragenden lies/lässt Interviews zu Gesprächen auf „Augenhöhe“ werden – in einem anderen Gesprächsfluss, da viele Hintergrundinformationen beidseitig bekannt sind – in gegenseitigem „Wissen, worum es geht“. Und trotzdem verbunden mit den Erfahrungen, wie unterschiedlich sich so vieles für die Einzelne gestaltet.

Viele dieser „Hintergrundinformationen“ werden in allen entstehenden Transkripten zusätzlich eingefügt und kenntlich gemacht – mit Hilfe weiterführender Links oder dem Verweis auf – ein ebenfalls für das Archiv digital entstehendes – Glossar.

Viele weitere Informationen zu den Aktivitäten der Frauenkultur Leipzig zu den Geschehnissen vor, während und nach 1989 – aus der Perspektive von Frauen*/FLINTA/Aktivistinnen* in Leipzig. ——> bitte hier



Dieses Projekt der Frauenkultur Leipzig wird im Jahr 2024 gefördert durch