Offenes feministisches DemokratieArchiv

Anliegen & Leitgedanke des Offenen feministischen DemokratieArchivs in Leipzig

Das Offene feministische DemokratieArchiv soll ein generationsübergreifender Ort der Vielfalt werden – u.a. mit gesellschaftlichen Diskursen und Visionen, offenem Austausch, gemeinsamer zivilgesellschaftlicher Konzeptentwicklung für neue Handlungsansätze und Projekte. Feministisch zu agieren – beinhaltet immer, sich gegen jede Art von Unrecht zu engagieren. In diesem Kontext müssen in der heutigen pluralistischen Gesellschaft alle Menschen/Gruppen immer gleichgestellt mitgedacht werden – im Kontext öffentlicher Kommunikation wie auch des Vorhandenseins bzw. der Schaffung/Bereitstellung transformativer Aktionsräume entsprechend diverser Nutzungskonzepte.

Dieser feministische Handlungsansatz betrifft unsere Gegenwart genauso wie unsere Geschichte(n) zur Wendezeit von 1989. Einseitige Geschichtserzählungen über die Friedliche Revolution von 1989 verhindern die erkenntnisbefördernde Vermittlung von kausalen gesellschaftlichen Zusammenhän-gen. Neben oft zitierten & abgelichteten männlichen Bürgerrechtlern waren genauso viele Frauen, Lesben, Schwule, ausländische Studierende … in unterschiedlichsten Wirkungsbereichen zivilgesellschaftlich engagierte und aktiv Handelnde – die die Geschehnisse von 1989 unmittelbar mitgetragen haben, aber sich nicht unter der Begrifflichkeit/Bezeichnung „Bürgerrechtler“ verorten.

Die interaktive und partizipative Vermittlung von Inhalten, Sachverhalten und Perspektiven in einer wirklichkeitsabbildenden Diversität ist Leitgedanke des Offenen Feministischen DemokratieArchivs.

Entstehung des Offenen feministischen DemokratieArchivs

Seit 13.10.2021 ist das Offene feministische DemokratieArchiv die neue Akteur:in des Campus der Demokratie der Stadt Leipzig

Am 20.09.2017 beschloss der Leipziger Stadtrat die „Entwicklung eines Forums für Freiheit und Bürgerrechte/Demokratie-Campus“ (Arbeitstitel). Grundlage war u.a. der Entwurf eines Entwicklungskonzeptes eines „Akteurs-Kreis“ bestehend aus fünf Beteiligten: BStU, Bürgerkomitee Leipzig e.V., Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V., Stiftung Friedliche Revolution und das Schulmuseum Leipzig.

Da in diesem Entwurf viele Perspektiven – vor allem feministische und queere Perspektiven – fehlten, waren auch im Kontext der Verwirklichung unseres Grundgesetzes konkrete Fragen da. Folgend waren Akteur:innen in der Frauenkultur Leipzig, der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und FraGes bereit, an diesem neu entstehenden Zentrum für Demokratie teilzuhaben und mitzugestalten. Alle genannten Vereine arbeiten zu demokratischen Prozessen und zur Gleichstellung bzw. verwalten Archive, die Teil der Stadtgeschichte und Demokratie-Entwicklung sind.

Am 20.01.2018 wurde das gemeinsam erarbeitete Konzept-Papieres der Stadt vorgelegt unter dem Titel: „Erweiterte Entwicklungsperspektiven für das Areal der ehemaligen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig zwischen Dittrichring und Großer Fleischergasse | „Zentrum für Demokratie – Forum für Freiheit und Rechte von Bürgerinnen und Bürgern“ (Arbeitstitel)


Über drei Jahre wurde die Kommunikation gesucht!

Letztendlich gelang es mit einem Antrag der AG Frauenprojekte Leipzig und folgend einem des Beirats für Gleichstellung der Stadt Leipzig am 13.10.2021 folgenden Stadtratsbeschluss zu erzielen:

Der Stadtratsbeschluss „Forum für Freiheit und Bürgerrechte. Nur mit Geschlechtergerechtigkeit“:
  1. Die Perspektiven von Geschlechtergerechtigkeit sowie eine erweiterte Sichtweise auf Demokratie werden bei der weiteren Planung des „Forums für Freiheit und Bürgerrechte“ (Arbeitstitel) angemessen und in allen Bereichen berücksichtigt.
  2. Der Arbeitskreis „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“, der momentan aus fünf gesellschaftlichen Akteuren (jeweils vertreten durch 2 Personen) besteht, wird um eine weitere Akteurin (vertreten durch 2 Personen) aus dem Bereich Geschlechtergerechtigkeit erweitert. Die Akteurin bzw. die beiden zu benennenden Personen werden von der AG Frauenprojekte Leipzig entsandt.
  3. Das Positionspapier „Demokratie und Gleichberechtigung aller Menschen bedingen einander. Erweiterte Entwicklungsperspektiven für das „Forum für Freiheit und Bürger*innenrechte“, erarbeitet durch den Frauenkultur e.V. Leipzig und den Louise-Otto-Peters-Gesellschaft Leipzig e.V. wird von allen Beteiligten zur Kenntnis genommen.

Um diesen Stadtratsbeschluss umzusetzen, musste die „neue Akteurin“ einen Namen bekommen und in einer konkreten Trägerschaft verankert sein. Und so heißt das Vorhaben nun: Offenes feministisches DemokratieArchiv (OfemDA)

Zur Zeit rechtlich getragen durch den Frauenkultur e.V. Leipzig – gemeinsam mit den Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V.. Perspektivisch sinnvoll ist die Gründung eines eigenständigen Vereins als Trägerin des Archivs.


Vorhaben und Inhalte

Das Offene feministische DemokratieArchiv soll ein generationsübergreifender Ort der Vielfalt werden der in die Gegenwart und Zukunft reicht – u.a. mit gesellschaftlichen Diskursen und Visionen, offenem Austausch, gemeinsamer Konzeptentwicklung für neue Handlungsansätze und Projekte.

Das Offene feministische DemokratieArchiv soll ein Ort der Begegnung und eine Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft und Forschung werden.

Hier sollen auf der einen Seite Forscher:innen zu feministischen und geschlechtergeschichtlichen Themen Platz und einen reichen Quellenfundus für Ihre Forschungen finden – auf der anderen Seite aber auch einen Raum bekommen, in dem diese Forschungen einem (zivilgesellschaftlichen) Publikum vorgestellt werden. Wissenschaftsabende, in denen die neusten Forschungsergebnisse vorgestellt werden können und auch ein digitaler Archiv-Blog könnten dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Zudem möchten wir auch im Bildungskontext Angebote anbinden, die Schüler:innen-Gruppen, aber auch Studierenden einen ersten Zugang zur Arbeit in einem Archiv ermöglichen können. Archiv-Workshops bieten sich dafür an, in denen die Teilnehmenden an die Arbeit in einem Archiv und auch an das wissenschaftliche Arbeiten herangeführt werden – u.a. zu Fragen wie „Wie komme ich zu einer Forschungsfrage?“ oder „Wie finde ich passende Literatur zu meinem Forschungs-Interesse?“

Verknüpft werden kann die Arbeit mit Forschungsprojekten zu unterschiedlichen geschlechtergeschichtlichen Themen, die auch im Rahmen mehrtägiger Schulprojekte mit eingebunden werden könnten. Auch Lehrer:innen-Fortbildungen zum Thema Geschlechtergeschichte und deren Einbindung im Unterricht können in den Räumlichkeiten vor Ort umgesetzt werden.

Zudem Veranstaltungen zu wichtigen geschlechterhistorischen Themen wie

  1. die Entwicklung der Frauenrechtsbewegung im 19./20. Jh. bis in die Gegenwart
  2. Die Rolle von Frauen in Revolutionen sowie in Kriegen
  3. Rolle von Frauen in Demokratiebewegungen/Demokratisierungsprozessen des 19., 20., 21. Jahrhundert in Deutschland und in Europa (Revolution 1848, Weimarer Republik, Friedliche Revolution… Solidarność 1983, Orangene Revolution/Majdan 2004 …)
  4. die rechtliche Stellung von homosexuellen und transgeschlechtliche Menschen im 19./20./21. Jh.
  5. Der Ansatz der „feministischen Außenpolitik“ um Frieden zu sichern, der ja nicht erst mit Frau Baerbock als Außenministerin diskutiert wird
  6. Rolle vietnamesische Vertragsarbeiter:innen
  7. PoC-Frauen* im 19./20 Jahrhundert
  8. u.v.m.

Das Archiv könnte auch ein Startpunkt für verschiedene geschlechtergeschichtliche Stadtrundgänge in der Leipziger Innenstadt und Umgebung sein. Verschiedene feministische Stadtrundgänge werden auch heute schon erfolgreich durchgeführt – von der Aufarbeitung der Hexenverfolgung über verschiedene Facetten der Deutschen Frauenbewegung bis zu Aktivistinnen 1989 und heute.

Ziel des Offenen feministischen DemokratieArchives ist es, mit unterschiedlichen zivilgesell-schaftlichen, aber auch institutionellen Kooperationspartner:innen zusammenzuarbeiten, wie mit LOPG e.V., MONAliesA, Frauenkultur Leipzig, Universität Leipzig | FraGes (Zentrum für Gender Studies), Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung, Landesamt für Schule und Bildung, Volkshochschule, Mendelssohn-Haus, Grieg-Begegnungsstätte, TU Dresden u.a.

Für demokratische Transformationsentwicklungen braucht es immer wieder hinterfragende und erweiternde Handlungsansätze und -Konzepte. Mögliche Partner:innen zu einzelnen Themenbereichen sind z.B.
  1. zu Rechtsfragen: u.a. -> Kritische Jurist:innen Leipzig
  2. zu christlich/religiösen Fragen: u.a. -> verschiedene Gruppen Feministischer Theologinnen
  3. zu Geschlechterfragen: u.a. -> verschiedene LGBTQIA+/ queer-feministische FLINTA*-Gruppen
  4. zu Klimafragen: u.a. -> Umweltgruppen, fridays for future …

Das Offene feministische DemokratieArchiv soll zudem ein offener Ort der 1989er-Revolution und der Deutschen Einheit werden – im Kontext diverser Lebens-/Wege als Abbild von gesellschaftlichen Bewegungen und Transformationen.

Die 1989er-Revolution war eine Bewegung von „Frauen und Männern“ – plus Menschen anderer Geschlechtsidentitäten. Über die Friedliche Revolution ist viel geschrieben, erzählt, gefilmt, inszeniert … worden. Es gibt „ostdeutsche Menschen“, die sehr konkret aktiv und gerichtet in der Vor-/Wende für eine gerechtere demokratische Gesellschaft gehandelt bzw. gekämpft haben – und die heute bestimmte „Erzählungen oder wissenschaftliche Erklärungen über die DDR, über 1989…“ mit sehr viel Erstaunen bzw. Irritationen wahrnehmen… oft verbunden mit dem Fazit:

Wir müssen unsere Geschichte/n selber schreiben … und weiterschreiben.

Im Kontext der Friedlichen 1989er-Revolution werden wie o.g. bestimmte wichtige Fragen – die kausale Zusammenhänge beinhalten – kaum oder nicht gestellt. Zum Beispiel:

  • Wie war die Dynamik/der Wandel der Montagsdemos im Zeitraum vom 15.05.1989 (Pfingstmontag) – 31.12.1989 begründet?
  • Warum wurde aus „Wir bleiben hier!“, „Wir sind das Volk!“ … „Wir sind ein Volk!“?
  • Warum wollten noch so viele Menschen eine „andere, ehrlichere DDR“?
  • Was und wer beeinflusst/e unsere Erinnerung?
  • Wie haben „Mehrheiten” vor 1989 in der DDR gelebt? Und wie wollen sie jetzt leben?
  • Welche Gruppierungen versuchten wie politisch Einfluss zu nehmen?
  • Welche Aktivitäten von z.B. Lesben, Schwulen … oder Menschen mit Migrationsgeschichte gab es?
  • Welche zivilgesellschaftlichen Aktivitäten können – auch durch diverse Auseinandersetzungen mit der 1989er-Revolution und nachfolgenden Transformationsprozessen – neue Konzepte für Zukunftsmodelle des gerechteren transkulturellen Miteinanders in Europa, weltweit multiplikativ initiieren/mittragen?

Wenn in der Geschichte „Farben fehlen“, braucht es in der Gegenwart einen Gegenentwurf mit allen Farben.

Leipzig, 27.06.2022
Frauenkultur e.V. Leipzig / Christine Rietzke, Hsiu-Yün Cheng
Louise-Otto-Peters-Gesellschaft / Franziska Deutschmann


Zu den hier verwendeten Abbildungen und Fotografien

Es sind alles digitale Formate von Kunstwerken, die im Jahr 2019 zu dem Kunstwettbewerb der Frauenkultur Leipzig „Frauen 1989 und Künstler*innen 2019“ eingereicht wurden.

Werk und Künstlerin in der Reihenfolge (von oben nach unten):
Wurzel | Bakir, Mirette 2019
Sagen was ist, verändert die Welt | Kamplade, Hille 2019
Wort und Tat | Ragy Enayat, Mona 2019
89 Frauen | Wendig, Maibritt plus „86 Frauen“ 2019

Siehe bitte Kunstwettbewerb „Frauen 1989 und Künstler*innen 2019“

Fotografien von 1989:
Sigrid Schmidt